Musikalische Schätze in Wittenberg
Veröffentlicht am Freitag, 25. September 2020
*Das französische Wort Renaissance, übersetzt Wiedergeburt, kennzeichnet eine der prägendsten Kulturepochen Europas. Vom späten 14. bis zum frühen 17. Jahrhundert löste die Rückbesinnung auf die kulturellen Errungenschaften der Antike eine wahre Blütezeit in allen Bereichen der Kunst aus. Maler wie Michelangelo, Albrecht Dürer oder Lucas Cranach, Dichterfürst William Shakespeare und natürlich Universalgenie Leonardo da Vinci sind nur einige ihrer berühmtesten Vertreter. Im Vergleich dazu führte die Musik dieser einmaligen Epoche lange Zeit fast schon ein Schattendasein. Einen wichtigen Beitrag zur Wiederentdeckung dieser musikalischen Welt leistet seit 2006 das Wittenberger Renaissance-Musikfestival.
Vom 23. Oktober bis 1. November wird es nun bereits zum 15. Mal gefeiert – und auch wenn das Fest von den aktuellen Bedingungen nicht unberührt bleibt, verspricht das kleine Jubiläum unter dem Motto „Aus den Schatzkammern eines Murmeltiers“ authentischen Musikgenuss und hochkarätig besetzte Konzerte und Workshops. LEO sprach mit Thomas Höhne, dem künstlerischen Leiter und Initiator des Festivals.*
Wie so ziemlich jede Veranstaltung steht auch das Wittenberger Renaissance Musikfestival dieses Jahr vor besonderen Herausforderungen. Wann fiel die endgültige Entscheidung, dass es stattfinden wird?
Thomas Höhne: Die fiel im letzten Jahr, als wir den Projektantrag für dieses Jahr gestellt haben. (lacht) Wenn es das Nachdenken über eine Absage gab, dann immer nur sehr vorsichtig. Die Vorbereitungen liefen ungebremst weiter, nur eben mit größeren Herausforderungen. Wie setzen wir die Abstandregeln um? Wie kommen wir mit weniger Publikum klar? Kann man die Workshops überhaupt durchführen? Hat die Instrumentenausstellung noch Sinn, bei den Möglichkeiten, die noch da sind?
Es ist eben auch so, dass höchstens die Hälfte des normalen Publikums in den Konzerträumen Platz haben wird. Das ist natürlich auch finanziell eine riesige Herausforderung. Und es ist auch als Musiker ein ganz komisches Gefühl, wenn man im Konzertsaal sitzt und zwei Sitze sind mit einem roten Sperrschild versehen, dann kommt ein Gast, dann wieder ein Sperrschild…das ist emotional nicht nur für das Publikum merkwürdig, sondern auch für die Künstler. Und den Tanzball zum Beispiel, auf den sich alle das ganze Jahr gefreut haben, mussten wir leider wirklich absagen.
Was hat es denn mit dem Murmeltier und seiner Schatzkammer aus dem Festivaltitel auf sich?
Thomas Höhne: Der Hofkapellmeister von Friedrich dem Weisen, Adam Rener, um den es vor allem geht, hat in diesem Jahr seinen 500. Todestag. Seine Musik wird selten gespielt und soll nun besonders gewürdigt werden. Friedrich der Weise wiederum wurde von einem Gesandten des Papstes einmal als „kleines, fettes Murmeltier“ bezeichnet. Friedrich ist also das Murmeltier und er hatte viele Schätze, nicht nur Reliquien sondern unter anderem auch Musikalien. Und aus diesen Schatzkammern spielen wir.
Wie hat sich das Renaissance Musikfestival seit 2006 entwickelt? Und hätten Sie mit diesem dauerhaften Erfolg gerechnet?
Thomas Höhne: Niemals hätte ich damit gerechnet. Die Idee kam sicherlich durch das Studium der Alten Musik und auch dadurch, dass wir entdeckt haben, wie viel Musik in Wittenberg entstanden ist und auch wie inspirativ Wittenberg auf Europa und die Welt gewirkt hat. Wir dachten uns also, wir machen einfach mal ein Festival, das sich genau dieser Musik widmet, weil es in ganz Europa kein weiteres Festival gibt, das nur der Renaissancemusik gewidmet ist und man so auch ein Alleinstellungsmerkmal hat.
Dass es natürlich so lange durchhält, hätten wir uns nicht träumen lassen. Wir haben sicherlich jedes Jahr gehofft, dass es im nächsten Jahr wieder stattfinden kann. Und es ist auch mit jedem Jahr gewachsen. Wir haben ja mit einem einzigen Tag angefangen. Jetzt sind wir bei dauerhaft zehn Tagen und immer mindestens zehn Kursen angelangt. Das ist einfach ein Quantensprung.
Was waren für Sie persönlich die größten Höhepunkte aus bisher 14 Festivaljahren? Und worauf freuen Sie sich diesmal besonders?
Thomas Höhne: Mit das schönste Festival war das Paul-Gerhardt-Jahr. Da hatten wir auch besonders viel Publikum und haben in Torgau und Eisleben gespielt, sind also auch in andere Spielorte außerhalb Wittenbergs gegangen. Höhepunkte waren auch immer die Konzerte mit Christina Pluhar oder Marco Beasley. Und es ist besonders schön, dass so treue Musiker dabei sind wie Hille Perl oder Rolf Lislevand. Das sind internationale Größen, bei denen es nicht selbstverständlich ist, dass sie nach Wittenberg kommen, um Kurse zu geben und auch noch Konzerte zu spielen.
In diesem Jahr freue ich mich natürlich wieder besonders auf Rolf Lislevand und auf Emma Kirkby. Das ist eine Sängerin aus England, die diese Szene wirklich nachhaltigst geprägt hat. Sie ist eigentlich die Grand Lady der Alten Musik, ohne sie gäbe es wahrscheinlich diese ganze Alte-Musik-Szene gar nicht.
Was wünschen Sie sich und der Veranstaltungsreihe für die Zukunft?
Thomas Höhne: Ich wünsche mir vor allem viel, viel begeistertes Publikum und spielfreudige Musiker.
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