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Tine Wittler
Tine Wittler© Jennifer Picht

! Abgesagt ! Schlückchenweise Kneipenliebe

Veröffentlicht am Sonntag, 25. Oktober 2020

Zehn Jahre lang, von 2003 bis 2013, war Tine Wittler in hunderten deutscher Wohnzimmer zu Gast – und in weiteren Millionen per Fernsehbildschirm. Als Moderatorin der Docutainment-Serie „Einsatz in 4 Wänden“ wurde sie landesweit bekannt. Die studierte Kultur- und Kommunikationswissenschaftlerin lediglich auf diese, wenn auch lange und erfolgreiche, TV-Karriere festzulegen, ist aber deutlich zu kurz gegriffen. Denn die Frau, die von den Medien schon als „das Schweizer Taschenmesser der norddeutschen Kleinkunstszene“ bezeichnet wurde, hat noch sehr viel mehr Talente und Leidenschaften.

Mehr als ein Dutzend Romane und Sachbücher hat Tine Wittler seit 2002 geschrieben, die sich über eine halbe Million Mal verkauft haben. Für ihren mit dem Prädikat „wertvoll“ ausgezeichneten Dokumentarfilm „Wer schön sein will, muss reisen“ ging sie auf der ganzen Welt auf die Suche nach Schönheitsidealen. Gleichzeitig macht sie sich stark für Menschen, die nicht in das gängige Modelraster passen und für solche, die am Rande unserer Gesellschaft stehen oder an diesen gedrängt werden.

Ganz besonders schlägt das Herz der vielseitigen Künstlerin, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum feiert, für die Kleinkunst – und für die kleine Kneipe um die Ecke, die zunehmend aus vielen Stadtbildern zu verschwinden droht. Als Gastgeberin und Veranstalterin engagierte sie sich mit ihrer Hamburger Kulturbar „parallelwelt“ schon von 2004 bis 2018 für kulturelle Vielfalt abseits des Mainstream. Im gerade einmal 60 Einwohner zählenden Dörfchen Jabel im Wendland setzt sie mit ihrer Deelenkneipe und Kulturbar „Wittlerins Wohnzimmer“ dieses Ansinnen seit Mai 2018 fort und haucht damit der Tradition der Dorfkneipe neues Leben ein. Wittler schlüpfte in der „Krimödie Hamburg“ nicht nur in die Rolle der singenden „Weiße Rössl“-Wirtin, sie lebt Kneipenkultur in allen Facetten mit ganzer und auch musikalischer Leidenschaft.

Eigentlich war es daher nur eine Frage der Zeit, bis „die Wittlerin“ ganz Deutschland an dieser Leidenschaft teilhaben lässt. „Lokalrunde – Tresenlieder schlückchenweise“ ist der Titel ihres Programms, mit dem sie ihr Publikum mitnimmt in die so gemütliche wie schummerige, so verruchte wie zutiefst menschliche Welt der Dorf- und Eckkneipen. Die Texte ihrer musikalisch- lyrischen Revue hat Wittler selbst verfasst, beiden Melodien stand ihr der Hamburger Pianist Greg Baker komponierend zur Seite. Als Studioalbum sind die Tresenlieder bereits seit 2016 erhältlich, die Texte gibt es in Buchform, aber das Live-Erlebnis ist natürlich unersetzlich. Zumal Tine Wittlers Aufruf „Support your local Lokal!“ gerade in diesem Jahr nicht nur für die Kneipe um die Ecke besondere Brisanz hat, sondern auch für die kleinen und größeren Kulturbetriebe im ganzen Land.

Bevor Tine Wittler am 18. November im Clack-Theater Wittenberg zum Kneipenabend zwischen humorvoll-schräg und lasziv-verr(a)ucht einlädt, blieb noch Zeit für ein kleines LEO-Gespräch:

Was macht Ihnen im Moment von all ihren Leidenschaften am meisten Spaß? Und langweilen Sie sich eigentlich auch mal?

Tine Wittler: Da die Bühnenkünste es im Moment sehr schwer haben, schreibe ich neben meinen Tourterminen gerade viel und gebe über meine individuellen Coachings im wundersamen Wendland etwas von meinem Wissen an all diejenigen weiter, die ihre eigenen Talente und Stärken herauskitzeln möchten. Langeweile in diesem Sinne kenne ich nicht, wohl aber gezielt platzierte kleine Auszeiten.

Welchen Stellenwert hat Ihre Fernsehkarriere heute rückblickend für Sie? Und fragen die Leute Sie immer noch nach Einrichtungstipps?

Tine Wittler: Ja, das kommt vor. Bis heute bin ich weiterhin mit Vorträgen zum Thema „Wohnen und Einrichten“ unterwegs; individuelle Wohnraumgestaltungen führe ich allerdings nicht mehr durch. „Einsatz in 4 Wänden“ war zur damaligen Zeit eine tolle Sache und ein Riesenerfolg; darüber bin ich froh und dankbar. Heute spielt die ehemalige Fernsehzeit in meinem Leben aber kaum noch eine Rolle.

Ihr Programm heißt „Lokalrunde - Tresenlieder schlückchenweise“, was fasziniert Sie so sehr an der „klassischen“ Kneipenkultur?

Tine Wittler: Die Kneipe als Kommunikationszentrum und „Feierabendbiotop“ wird ja leider immer seltener; gerade in diesen Zeiten. Dabei gibt es kaum andere Orte, die so viele unterschiedliche Menschen zusammen- und einander wirklich näherbringen – ganz analog und „offline“, in der persönlichen Begegnung. Diesen Orten auf humorvolle und manchmal auch melancholische Weise zu huldigen,ist vielleicht auch eine Möglichkeit, die gute alte Kneipe vor dem Aussterben zu bewahren.

Für nächstes Frühjahr ist Ihr neues Buch „Suche Heimat - biete Bier“ angekündigt. Was können bzw. wollen Sie darüber schon verraten?

Tine Wittler: Auf jeden Fall so viel, dass es viel zu lachen geben wird und sowohl Landeier (zu diesen zähle ich mich selbst!) als auch Stadtliebhaber viel Spaß damit haben werden.

Bei so vielen schon in die Tat umgesetzten Leidenschaften bleibt zum Abschluss noch eine Frage: Gibt es etwas, das Sie schon immer tun wollten, bisher aber noch nicht verwirklichen konnten?

Tine Wittler: Also, da bin ich ganz profan: Mal wieder nach Dänemark fahren wär‘ ganz schön.

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